Den Tegernsee als Bastion des Widerstands gegen das Dritte zu bezeichnen, wäre vielleicht etwas weit hergeholt. Völlig aus der Luft gegriffen ist es allerdings auch nicht.
Denn in Tegernsee wurde in „einer verzweifelten Nacht“ das letzte und unveröffentlichte Flugblatt der studentischen Widerstandsbewegung „Weiße Rose“ geschrieben.
Wenn man an den Tegernsee und das Dritte Reich denkt, verbindet das ein jeder sofort mit den Ereignissen rund um den so genannten Röhm-Putsch im ehemaligen Hotel Lederer in Bad Wiessee und damit Hitlers Festigung der Macht.
Widerstand am Tegernsee
Die Nachwirkungen dieser Geschichte reichen sogar soweit, dass die Menschen im Tegernseer Tal noch heute beschämt sind über die damaligen Ereignisse. Spricht man jemanden darauf an, erntet man selten mehr als mürrische Blicke und drückendes Schweigen.
Was die meisten dabei jedoch vergessen oder schlichtweg auch gar nicht wissenm ist die Tatsache, dass der Tegernsee durchaus auch ein Ort des Widerstandes gegen das Nazi Regime war.
Erster Kontakt mit Geschwister Scholl
Es ist eine bewegende Geschichte die sich rund um den dreifachen Familienvater und Medizinstudenten Christoph Probst ereignet hat. Der 1919 in Murnau geborene Probst kommt schon sehr früh mit dem Antisemitismus der Nazizeit in Berührung.
Nachdem seine Eltern sich getrennt haben, heiratet sein Vater eine Jüdin. Und dies soll Probst bis in seine Jugendzeit prägen. Während seines späteren Studiums kommt Probst schließlich in Kontakt mit den Geschwistern Scholl und freundet sich mit ihnen an.
Durch seinen engen Kontakt ist er auch einer der ersten, die von Flugblättern erfahren. Zusammen mit Alexander Schmorell, Professor Huber und den Scholl Geschwistern bildet er später den engsten Kreis der „Weißen Rose“.
Familie am Tegernsee
Allerdings fassen die Freunde schon früh einen Beschluss. Probst soll nie an direkten Aktionen teilnehmen. Der Grund dafür ist einfach: Probst als Familienvater soll nichts passieren.
Die Familie ist es auch, die Probst nach Tegernsee führt. Den ersten Besuch des mittlerweile in Innsbruck lebenden Probst schildert sein Sohn Michael in einem späteren Interview einmal so: „Das erste Mal kam er mit dem Fahrrad. Zuerst musste er es über den Achenpass tragen und ist dann über Rottach-Egern nach Tegernsee gekommen.“
Das siebte, unveröffentlichte Flugblatt
Im Januar 1943 ist es dann soweit. In „einer verzweifelten Nacht“, als Probst mal wieder bei seiner Mutter und seiner Frau am Tegernsee zu Besuch weilt, schreibt er das siebte unveröffentlichte Flugblatt der „Weißen Rose“.
Inspiriert von den dramatischen Nachrichten aus Stalingrad, formuliert der überzeugte Widerstandskämpfer die verhängnisvollen Zeilen: „Hitler und sein Regime müssen fallen, damit Deutschland weiterlebt.“ Eine Aussage, auf der in seiner Zeit die Todesstrafe steht.
Und so kommt es dann auch. Auf seinem Heimweg nach Innsbruck übergibt Probst das letzte Flugblatt an Hans Scholl in dessen Wohnung. Drei Wochen später trägt dieser das Stück Papier noch in seiner Jackentasche, als er bei der Verteilung des sechsten Flugblattes mitsamt seiner Schwester festgenommen wird. Schnell ist auch Probst in den Fängen der Gestapo. Zusammen mit den Geschwistern Scholl wird er am 23.Februar 1943 in Stadelheim hingerichtet.

Der Geschwister Scholl Platz an der LMU in München zeugt noch heute von den Aktionen der weißen Rose
Zum Zeitpunkt seiner Hinrichtung wissen seine Frau Hertha und seine Mutter noch gar nichts von den Aktivitäten ihres Sohnes. Erst am Abend des 23. Februar tauchen Freunde von Probst am Tegernsee auf und bitten Hertha ein Gnadengesuch für ihren Mann zu unterschreiben. Doch da ist es bereits zu spät.
Noch länger als ein Jahr lebt die Familie nach Ereignissen des Winters 1943 weiter am Tegernsee, ehe sie in den letzten Kriegstagen vor den Nazihäschern fliehen muss.
Vielen Dank an Gerhard Brugger für die Mithilfe beim Entstehen dieses Artikels.