Quantcast
Channel: Tegernseerstimme
Viewing all articles
Browse latest Browse all 18751

Masern: “Beim Impfen liegen wir hinten”

$
0
0

Masern-Erkrankungen sind in den vergangenen Monaten auch im Landkreis Miesbach aufgetreten. Das Landratsamt ruft deshalb dazu auf, zum Schutz die Kinder rechtzeitig impfen zu lassen.

Dass gerade bei der zweiten Impfung Lücken vorhanden sind zeigt eine neue Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI). Dabei ist die Krankheit nicht so harmlos, wie oft angenommen wird.

Impfen ja oder nein – und wann ist der richtige Zeitpunkt?

„Ich möchte nicht, dass meine Kinder ernsthaft krank werden“, sagt Christiane K. Die Kreutherin fürchtet wie viele Eltern vor allem, dass Kinderkrankheiten wie Masern nicht immer harmlos verlaufen.

Das Hauptziel von Impfungen ist es, Krankheiten auszurotten. Gibt es diese oder jene Art von Erreger nicht mehr, dann kann sich auch niemand mehr daran anstecken. Christiane K. hat für ihre drei Kinder die für sie wichtigsten Impfungen machen lassen. „Allerdings erst ab einem Alter von über einem halben Jahr“, schränkt die Kreutherin ein.

Beim Startpunkt ist man sich nicht einig

Die Meinungen, ab wann es gut ist, Säuglinge impfen zu lassen, sind eindeutig. Während viele Eltern sich dafür entscheiden, bei einem Lebensalter von sechs oder zwölf Monaten damit anzufangen, sind auch viele Kinderärzte für einen frühzeitigen Start.

„Eltern sollten ihre Kinder ab Ende des ersten Lebensjahres – bei Aufnahme in Kinderkrippen ab dem neunten Lebensmonat – gegen Masern impfen lassen.“ Das rät der Fachbereich Gesundheit des Landratsamts Miesbach. Eine zweite Dosis sollte dann zwischen dem 15. und 23. Lebensmonat – bei Krippenkindern um den 1. Geburtstag herum – erfolgen.

Dass die Masern keine harmlose Kinderkrankheit sind, haben in den vergangenen Monaten in Bayern 507 erkrankte Personen erfahren müssen, von denen 194 sogar stationär behandelt wurden. Mit einer mehrwöchigen Schwächung des Immunsystems müsse man auf jeden Fall rechnen. Außerdem könnten Hirnentzündungen als Folgeerkrankung auftreten, warnen Ärzte.

Bedenken von Impfgegnern

Obwohl der Impfstoff laut Experten sehr sicher und wirksam ist, lassen viele Eltern ihre Kinder nicht impfen. Impfgegner hätten einerseits Bedenken, dass die Impfung selbst dem Kind schaden könnte. Eine Sorge, die laut Landratsamt unbegründet sei. Zudem führen die Kritiker an, dass im Masern-Impfstoff gefährliche Zusatzstoffe wie Quecksilber oder Aluminiumverbindungen enthalten seien. „Dies ist nicht der Fall“, betont Dr. Michael Wohlfahrt, der Leiter des Gesundheitsamts. Im Internet oder in manchen Leserbriefen enthaltene Behauptungen zu bestimmten Folgeerkrankungen der Impfung seien alle eindeutig widerlegt worden.

„Von Anfang an ist das Kind dabei, unzählige möglicher Eindringlinge zu bekämpfen“, beruhigen Mediziner. Impfstoffe seien biologische Arzneimittel, deren Herstellung strengen Hygienemaßnahmen und Kontrollen obliegen. Wichtig sei daher vor allem, dass das Kleine zum Zeitpunkt der Impfung gesund sei, meinen Ärzte. Denn immer dann, wenn das Immunsystem des Körpers sich mit einem Fremdstoff beschäftigt, können Reaktionen auftreten.

Das kann natürlich auch bei einer Impfung der Fall sein. Lebendimpfstoffe könnten beispielsweise eine leichte „Impfkrankheit“ auslösen, so auch bei der Masernimpfung. Fieberreaktion beziehungsweise Ausschlag sind eine der Folgen. Eine Ansteckungsgefahr besteht deshalb aber nicht.

Wenn es doch passiert …

Auch wenn das Risiko sehr gering ist, wenn es die eigenen Kinder betrifft, ist einem die Statistik letztendlich egal. So passiert in einer Rottacher Familie. Der elfjährige Fabian kam fünf Tage nach seiner FSME-Impfung vom Sport nach Hause. Seine Mutter merkte sofort „Da stimmt was nicht!“.

Der Junge zwinkerte seltsam mit dem Auge. Die Mimik der einen Gesichtshälfte funktionierte offensichtlich nicht mehr richtig. Mutter und Sohn eilten in die Kinderarztpraxis, von der sie gleich ins Krankenhaus Agatharied überwiesen wurden. Dort diagnostizierte man eine sogenannte „facial lisparese“, eine periphäre Gesichtslähmung, die als Impffolge eingestuft und weitergemeldet wurde. Zwar konnte Fabian erfolgreich behandelt werden. Bis alles wieder war wie vorher, vergingen allerdings sechs Wochen. Seitdem ist die eher impffreudige Mutter vorsichtiger geworden.

Impfquoten unter Bayerndurchschnitt

Trotz der Befürchtungen, die einige Eltern möglicherweise auch aufgrund solcher Vorfälle haben, ist mit Masern nicht zu spaßen. „Bei Masern handelt es sich um eine hoch ansteckende, im Krankheitsfall häufig von Komplikationen begleitete Infektionskrankheit“, warnt das Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI). Durch Impfung ließe sie sich die Erkrankung zuverlässig vermeiden. Ihre Elimination wird für Mitteleuropa für das Jahr 2015 angestrebt. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass eine Impfquote von 95 Prozent erreicht werde.

Und dies ist laut der neuen Studie der ZI – gerade in Süddeutschland – nicht der Fall. Bereits im Februar hatte die Tegernseer Stimme über das Thema Impfen berichtet.

Bei der 1. Impfung besser als die Schlusslichter – aber unter Bayerndurchschnitt

Die vom Landratsamt Miesbach vorgelegten Zahlen belegten unzureichende Impfquoten. Damals hatte man den Impfstatus von Schulanfängern für insgesamt unzureichend befunden. Der gesamte Landkreis liege zum Teil deutlich unterhalb der Impfraten für ganz Bayern, hieß es. Bei der Auswertung der Impfbücher zeigten sich gerade mal 90,5 Prozent der Schulanfänger als gegen Masern immunisiert (bayernweiter Durchschnitt 94,6 Prozent).

„Wer einmal Negatives über die Masernimpfung gelesen hat, bleibt auch dann skeptisch, wenn er viel mehr gute Gründe für eine Vorsorge gehört hat“, berichtet Maike Schulz, Autorin der ZI-Studie. „Die Masern-Impfung wird gerade zum Opfer ihres eigenen Erfolgs“, fährt sie fort. Weil die Menschen wegen der Impferfolge der Vergangenheit nicht mehr sehen, wie schrecklich betroffen jemand sein kann, der Masern hatte, werde die Krankheit heute auf die leichte Schulter genommen.

Kein Schutz ohne zweite Impfung

Auch die ZI-Studie belegt: es wird zu wenig geimpft. Besonders die Zweitimpfung weise Lücken auf. Schulz und ihre Kollegen hatten bei ihrer Studie die Abrechnungsdaten aus Arztpraxen von insgesamt 550.125 Kindern ausgewertet, die im Jahr 2008 geboren wurden und in den Jahren 2008 oder 2009 eine Früherkennungsuntersuchung U4 hatten.

Der Studie zufolge sind die deutschlandweiten Schlusslichter beim Impfen die uns umgebenden Landkreise Rosenheim sowie Bad Tölz-Wolfratshausen. Doch der Landkreis Miesbach steht nicht viel besser da: die erste Masernimpfung bekamen 75,9 Prozent (Bundesdurchschnitt: 85,8 Prozent; Landesdurchschnitt Bayern: 82,3). Die zweite Impfung 54,3 Prozent (Bundesdurchschnitt: 62,0 Prozent, Landesdurchschnitt Bayern: 56,4).

Viele Eltern denken vor allem nicht an die zweite Impfung oder zögern diese hinaus. Es sei aber wichtig, so Schulz, dass Kinder beide Impfungen erhalten. Denn bei bis zu fünf Prozent schlage die erste Impfung nicht an. Diese Kinder seien nicht geschützt, wenn sie keine zweite bekommen. Dabei liegen die Quoten weiterhin deutlich unter dem WHO-Ziel. Doch gerade dort, wo die Impfquoten niedrig seien, zeigen sich auch verstärkt Masernausbrüche. Für Schulz hilft daher nur eins: bessere Aufklärung.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 18751


<script src="https://jsc.adskeeper.com/r/s/rssing.com.1596347.js" async> </script>