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Staust Du noch, oder lebst Du schon?

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Immer wieder sind die Straßen im Tal verstopft. Bei der Diskussion fällt auf: Das Thema wird schnell emotional. Dabei sind die Verursacher nicht im fernen München oder Berlin. Sondern direkt vor Ort. Ein Kommentar von Martin Calsow.

Die Protestaktion am Freitag verursachte einen kilometerlangen Stau.

Erst vergangene Woche kam es in Holzkirchen zu einer großen Protestaktion gegen den Stau.

Einmal den Verkehr stoppen. Wer träumt nicht davon. Nicht mehr tatenlos dem täglichen Strom an Autos zusehen müssen, Angst um die Kinder zu haben, die hier doch eigentlich nicht den Verkehrsstreß der Stadt haben sollten.

In Großhartpennig haben sie die Walze für wenige Stunden gesperrt. Einfach so. Das mag der Kommunalpolitik nicht gefallen. Aber ernst sollte sie so ein Aufbegehren der Anwohner nehmen.

“Du bist der Stau”

Irgendwann stand es an der Autobahnbrücke, ein typischer Spontispruch der Achtziger: „Du bist nicht im Stau. Du bist der Stau.“ In dieser launigen Aussage steckt viel Wahrheit für unseren gesamten Landkreis. Ob Großhartpennig oder Gmund, Warngau oder Waakirchen. Überall klagen Anwohner über Lärm, Dreck und potentielle Unfallrisiken.

Mal werden Tunnel gefordert, mal Umgehungsstraßen oder schlicht mehr Spuren, um der Blechlawine Herr zu werden. Aber alle wissen, daß mit mehr Teer nur mehr Blech entsteht. Neben der üblichen Tagestourismuswalze gibt es aber auch hausgemachte Gründe für diesen Straßen-GAU.

Verkehr ist politisch gewünscht

Suburbanität ist der Fachbegriff. Man zieht aus der immer enger und teurer werdenden Stadt hinaus aufs noch billige Land. Dort stellen Gemeinden Wohnfläche zur Verfügung, glücklich, damit nicht weiter zu vergreisen und neue Steuereinnahmen zu bekommen. Denn die junge Mittelschichtsfamilie will natürlich angemessen einkaufen und unterhalten werden. Da braucht es Einkaufsmöglichkeiten und Schnellrestaurants.

Wie man einen einst schönen Flecken für sprudelnde Steuereinnahmen zu einem Haufen Bau-Scheiße verscherbeln kann, sieht man am Irschenberg. Naturnah wohnen, aber nach wie vor noch in München arbeiten. Also braucht es weiter Straßen, die dann regelmäßig morgens und abends verstopft werden.

Denn mit Kilometerpauschale und Eigenheimzulage förderte der Staat diese Bewegung. Großzügige Dienstwagenregelungen der Unternehmen schaffen den Wunsch zum Zweitwagen, oftmals verbunden mit einem Drittwagen für die lieben Kleinen. Eine brummende Wirtschaft sorgt für Warenverkehr, der sich mitnichten über eine Maut steuern läßt. Also wird im Landkreis durch Ortschaften, die dafür überhaupt nicht angelegt sind, gebrettert, was das Zeug hält. Und der Anwohner, der sich über die Pendler, Touristen, Brummifahrer echauffiert, sitzt gern bräsig im Nachbarort auch im Stau.

Individuelle Freiheit verhindert Lösungsansätze

Denn jeder will die individuelle Freiheit haben, nur eben nicht im Form einer Straße vor der Haustür. Kann man das ändern? Nein, wenn man alle Freiheiten beibehalten möchte. Nein, wenn man die nächste Umgehung, die nächsten Fahrbahnspuren oder gar Tunnel genehmigt. Ja, wenn für den gesamten Landkreis eine tragfähige Vision, jenseits vom Kirchturmdenken geschaffen wird.

Im Kampf gegen den Stau sollten die Gemeinden zusammenarbeiten.

Im Kampf gegen den Stau sollten die Gemeinden zusammenarbeiten.

Mehr öffentlicher Nahverkehr ist so ein Ansatz, eine funktionierende Bahn, zweigleisig, wäre ein Anfang. Aber schon da werden Anwohner der Bahnstrecke auf die Barrikaden gehen. Ein benzinfreies Tegernseer Tal nach dem Vorbild von Zermatt? Um Himmels Willen. Wie soll denn das gehen?

Egal, wo man ansetzt: einer wird immer schreien. Der Handwerker mit seinem Transporter, der Vater im SUV auf dem Weg zur Kita, die Pendler-Mutter auf dem Weg zur Arbeit in München. Die Spedition aus Österreich, die ihren Fahrern, die illegale Abkürzung über das Tal empfiehlt.

Gemeinden müssen zusammenhalten

Noch ist der Druck für alle nicht groß genug, um den Landkreis gemeindeübergreifend auf eine moderne Verkehrspolitik umzustellen. Und so lange die CSU, als maßgebliche Kraft im Land, ihre vorsintflutliche „Machmaldaeinestraßehin“-Politik nicht überdenkt, wird es bei der Asphaltlösung bleiben. Viel hilft eben nicht immer viel.

Und so wird es auch weiter heißen: „Du bist nicht im Stau. Du bist der Stau.“ Die Aktion in Großhartpenning dieser Tage war Ausdruck schierer Verzweiflung. Genau so hätten Waakirchener oder Gmunder Bürger reagieren können. Nur: es wird nicht helfen, wenn sie sich nicht zu einem Netzwerk zusammenschließen.

Man stelle sich einen gemeinsamen Widerstand der betroffenen Gemeinden vor. Da käme vielleicht auch ein grüner Landrat unter Druck, ganz zu schweigen von einer Landtagsabgeordneten. Wie heißt die denn noch mal?


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